Speicher statt Stillstand Gastbeitrag

Energie

| Gastbeitrag, 08.07.2025

Gastkommentar für energate messenger

„Speicher statt Stillstand: Warum wir die Energiewende nicht Netzengpässen opfern dürfen“

Früher galten Stromnetze als Rückgrat der Flexibilität. Heute reicht das nicht mehr. Speicherlösungen – von Heimspeichern über Quartierspeicher bis zu Batterie-Großspeichern neben PV- und Windparks – haben die technische Reife, um diese Rolle zu übernehmen. Wer das energiepolitische Zieldreieck aus Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Klimaschutz ernst nimmt, kommt an Speichertechnologien nicht vorbei.

Denn das eigentliche Bottleneck ist nicht die Verfügbarkeit von Strom, sondern die Übertragung zwischen Erzeugern und Verbrauchern. Netzanschlüsse für Wind- und PV-Freiflächenanlagen könnten vielerorts überbaut werden – doch das Potenzial dieser Praxis wird kaum genutzt. Speicher könnten helfen, Netze zu entlasten, sind heute aber regulatorisch betrachtet „netzblind“: Sie reagieren auf nationale Börsenpreise oder Systemdienstleistungsmärkte, nicht auf regionale Engpässe im Netz. Eine gezielte Steuerung durch Knappheitspreise oder netzorientierte Entgelte fehlt bislang – und pauschale Netzentgeltbefreiungen für Speicher, die das Netz belasten, lehnt auch die EU-Kommission inzwischen klar ab.

Die neue Bundesregierung rückt derweil fossile Backups in den Mittelpunkt: 20 GW Gaskraftwerke sollen als Sicherheitsnetz dienen – ein Vorhaben, das beihilferechtlich ebenfalls noch von der EU zu prüfen ist. Doch andere Länder zeigen längst, dass ein resilienter Strommarkt mit deutlich weniger neuen Gaskapazitäten auskommen kann – wenn Flexibilitäten gezielt gehoben werden. Dazu gehören nicht nur Stromspeicher, sondern auch steuerbare Nachfrage, dynamische Stromtarife, Wärmespeicher, Stromhandel mit Nachbarländern und eine intelligente Nutzung bestehender Infrastruktur. Deutschland verfügt über viele Flexibilitätsoptionen – doch bislang fehlt ein abgestimmter Rahmen, der deren Zusammenspiel koordiniert und marktwirtschaftlich lenkt.

Dabei zeigt sich in der Breite der Gesellschaft längst ein Trend: Laut einer Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag der Initiative Klimaneutrales Deutschland plant fast die Hälfte der Ein- und Zweifamilienhausbesitzer hierzulande bis 2029, sich einen Stromspeicher anzuschaffen. Vier von zehn wollen ein Home Energy Management System. Das ist Flexibilitätspotenzial im Verteilnetz – dezentral, bürgernah, akzeptanzsteigernd – aber bislang kaum systemdienlich genutzt.

Gleichzeitig integrieren immer mehr Projektierer von Erneuerbaren-Anlagen Speicher in ihre Geschäftsmodelle. Wer heute neue Wind- oder Solarparks plant, denkt Speicher oft von Anfang an mit: sie puffern Strompreisschwankungen, ermöglichen an die Nachfrage angepasste Lieferung und verbessern dadurch die Wirtschaftlichkeit. Theoretisch, denn nach wie vor bestehen regulatorische Hürden. Dabei könnten diese Kombilösungen auch für Energieversorger eine doppelte Chance sein: Sie können Speicherlösungen als Dienstleistung anbieten – und sie als Element ihrer eigenen Resilienzstrategie nutzen.

Das gilt für große Marktteilnehmer, für kleine hingegen fehlt der politische Rahmen, der Flexibilität belohnt. Smart Meter sind kaum verbreitet, dynamische Tarife ein Nischenprodukt und netzdienliches Verhalten lohnt sich weder für Verbraucher noch für Betreiber. Technologieoffenheit heißt nicht: alles bauen. Sondern: das System ganzheitlich denken. Speicher statt Netzstillstand – das wäre echter Fortschritt.

Die nächste Phase der Energiewende entscheidet sich daran, ob wir Flexibilität endlich ernst nehmen. Speicher machen erneuerbaren Strom verlässlich, unabhängig und bezahlbar – und damit das energiepolitische Zieldreieck wieder erreichbar. Ausschlaggebend ist nun der politische Wille, diese Technologien nicht länger zu bremsen, sondern konsequent zu fördern.

Wer Versorgungssicherheit wirklich will, muss Flexibilität ermöglichen – und nicht länger den Ausbau fossiler Kapazitäten als Notwendigkeit tarnen.

Carolin Friedemann ist Gründerin und Geschäftsführerin der Initiative Klimaneutrales Deutschland (IKND). Die IKND ist eine gemeinnützige Organisation, die nach eigenen Angaben die faktenbasierte, parteiübergreifende Debatte zu Klimaschutz mit strategischer Kommunikation und Netzwerkarbeit unterstützt.

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