Ex­por­teur, Im­por­teur? Pro­fi­teur!

Deutschland im europäischen Strommarkt

Auf einen Blick

Ökonomisch effizient durch Handel: Der grenzüberschreitende Stromhandel ermöglicht einen kostenoptimalen Einsatz von Energieerzeugungsanlagen und bringt so wirtschaftliche Vorteile für Deutschland und Europa.

Versorgungssicherheit durch Vernetzung: Der Zusammenschluss vieler Erzeuger, Verbraucher und Stromleitungen erhöht die Versorgungssicherheit.

Verbundenes Europa: Das europäische Stromnetz verbindet Europa. Dank ihm kann Strom von Portugal bis in die Ukraine und von Sizilien bis ans Nordkap fließen.

Effiziente Dekarbonisierung: Erneuerbare Energien können durch den europäischen Stromhandel effizienter integriert werden.

Ex­por­teur, Im­por­teur? Pro­fi­teur! Deutsch­land im eu­ro­pä­ischen Strom­markt

Veröffentlichung September 2024

Einleitung

Deutschlands und Europas Sicherheit und Stabilität werden herausgefordert – durch den Krieg in der Ukraine und eine instabile geopolitische Weltlage, den weltweiten Wettbewerb sowie die Auswirkungen des Klimawandels. Inmitten dieser Gemengelage steht die Frage nach der Versorgung mit sicherer, bezahlbarer und sauberer Energie. Im Jahr 2023 hat Deutschland erstmals seit 20 Jahren wieder mehr Strom importiert als exportiert. Dies zeigt zunächst einmal nur die Funktionsweise des europäischen Strommarkts.

Der europäische Stromhandel trägt wesentlich zur Sicherheit und zum Wohlstand Deutschlands und Europas bei. Der grenzüberschreitende Austausch stabilisiert die Strompreise und verbessert die Versorgungssicherheit, wodurch erhebliche Wohlfahrtsgewinne erreicht werden. Als Wohlfahrtsgewinn bezeichnen Ökonomen den zusätzlichen Nutzen oder Vorteil, den eine Gesellschaft insgesamt erfährt, wenn Ressourcen effizienter genutzt werden. Je besser die Länder dabei vernetzt sind, das heißt, je mehr Übertragungskapazitäten zur Verfügung stehen, desto mehr gleichen sich die Preise an und desto stärker profitieren alle angebundenen Länder. Zudem können erneuerbare Energien dank der europäischen Zusammenarbeit besser integriert werden, was zur Senkung der CO2-Emissionen beiträgt. Die Vernetzung innerhalb Europas ist eine der großen Errungenschaften der Europäischen Union.

Europäischer Strommarkt: Gemeinsame Werte, gemeinsame Elektrizität

Das europäische Stromverbundnetz ermöglicht einen Stromaustausch über das gesamte Kontinentaleuropa – und sogar darüber hinaus. Es besteht aus fünf durch Hochspannungsgleichstrom-Übertragungsleitungen miteinander verbundenen regionalen Verbundnetzen, sogenannten Regional Groups. Seit kurzem sind zudem die Ukraine und die Republik Moldau angeschlossen.

Die Anbindung der Ukraine und der Republik Moldau an das europäische Stromverbundnetz erfolgte am 16.03.2022, kurz nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. So wurde verhindert, dass die Ukraine im Falle einer Störung im Stromsystem auf Hilfe vom Kriegsgegner Russland angewiesen ist. Damit steht der Anschluss im Zeichen der Solidarisierung Europas mit der Ukraine. Das europäische Verbundnetz schützt so die gemeinsamen Werte Freiheit und Souveränität.

Dank des Zusammenschlusses unzähliger Erzeuger, Verbraucher und Übertragungsleitungen ergeben sich im Verbundnetz viele Vorteile. Schwankungen im Stromnetz können leichter ausgeglichen werden. Auch der Ausfall eines Kraftwerks oder eines Leitungsabschnitts kann gemeinsam einfacher kompensiert werden. Fällt ein Element aus, wird die Lücke durch die Gemeinschaft überbrückt. Im Winter 2022/2023 konnten größere Engpässe der Energieversorgung in Europa dank des grenzüberschreitenden Stromhandels verhindert werden. Im Zuge des russischen Angriffskriegs in der Ukraine wurde Erdgas zur Mangelware. Zusätzlich standen im September 2022 aufgrund von (außer)planmäßigen Wartungen nur 44 Prozent der installierten Leistung der französischen Kernkraftwerke zur Verfügung. Auch dank des europäischen Verbundnetzes konnte genügend Strom nach Frankreich geleitet werden, um die Energieversorgung zu jedem Zeitpunkt sicher zu gewährleisten. Der größte Teil des nach Frankreich geleiteten Stroms kam dabei aus Deutschland.

Dank des Stromhandels wächst der ökonomische Wohlstand in Europa um 30 Milliarden Euro pro Jahr

Der grenzüberschreitende Stromhandel ist seit Jahrzehnten Alltag. So wie der freie Handel mit anderen Alltagsgütern, wie Lebensmitteln oder Autoteilen, den europäischen Wirtschaftsraum stärkt, profitiert Europa ebenso vom freien Handel mit Strom – auch abseits von Extremsituationen wie im Winter 2022/2023. Der Stromhandel gestaltet sich jedoch aufgrund der physischen Eigenschaften von Strom etwas komplexer.

Stromhandel ist zwischen allen Ländern der fünf miteinander verknüpften Verbundnetze möglich. Besonders eng ist die Zusammenarbeit zwischen den Ländern der Europäischen Union. Über eine Plattform geben Energieerzeuger und Verbraucher Kaufs- und Verkaufsgebote ab. Diese enthalten eine Information darüber, wie viel Strom ein Erzeuger oder Verbraucher in einer bestimmten Stunde erzeugen oder verbrauchen kann beziehungsweise möchte und welchen Preis er dafür bereit ist zu akzeptieren. Der grenzüberschreitende Handel erfolgt dabei nicht bilateral zwischen Marktakteuren, sondern ein Algorithmus berechnet, welche
Kraftwerke genutzt werden, um die Nachfrage kostenoptimal zu decken. Dies geschieht unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Übertragungskapazitäten zwischen den verschiedenen Ländern beziehungsweise Strompreiszonen. Die Preisfindung erfolgt nach dem sogenannten Merit-Order-Prinzip.

Dank des europäischen Strommarkts können die Länder ihre Ressourcen effizient nutzen. Ist zum Beispiel in Deutschland zu einem Zeitpunkt nicht genügend Wind und Sonne vorhanden, um den Strombedarf zu decken, kann auch vergleichsweise günstiger Strom aus Dänemark, Schweden oder Norwegen importiert werden, bevor auf teuren Strom aus deutschen Kohle- oder Gaskraftwerken zurückgegriffen werden muss. Andersherum kann Deutschland in Stunden mit viel Windstrom an seine Nachbarn 5 exportieren. So entsteht ein ständiges Hin und Her, von dem die europäische Gesellschaft insgesamt profitiert. Daher wird auch in nahezu jeder Stunde des Jahres Strom grenzüberschreitend gehandelt (siehe Abbildung 2). Das ist seit Jahrzehnten gelebte Normalität. Oft wird gleichzeitig Strom importiert und exportiert (Transit).

Der europäische Strombinnenmarkt hilft die schwankende Energieerzeugung und den variierenden Verbrauch kostenoptimal auszugleichen. Er sorgt für eine höhere Liquidität und reduziert die Marktmacht einzelner Akteure, da der Handel über Landesgrenzen hinweg den Zugang zu einem größeren Markt ermöglicht. Dies führt dazu, dass internationale Erzeugungskapazitäten kostenoptimal genutzt werden, wovon Verbraucher durch niedrigere Preise profitieren. Gleichzeitig profitieren Erzeuger auch vom Zugang zu den Märkten außerhalb ihrer Gebotszone.

Der europäische Stromhandel ist somit kein Nullsummenspiel, bei dem nur der Handelspartner mit Exportüberschuss gewinnt. Vielmehr wird mit der Organisation des europäischen Strommarkts sichergestellt, dass die Stromnachfrage in den europäischen Ländern zu jedem Zeitpunkt mit den günstigsten verfügbaren Ressourcen gedeckt werden kann – unabhängig davon, ob auf diese im In- oder Ausland zurückgegriffen wird. Insgesamt kann so europaweit ein Wohlfahrtsgewinn von circa 34 Milliarden Euro jährlich generiert werden. Auch in Deutschland steigt dadurch der ökonomische Wohlstand.

Je enger die Zusammenarbeit im Stromhandel, desto größer der ökonomische Wohlstand. Eine engere Zusammenarbeit im Stromhandel, zum Beispiel durch eine Erhöhung der Übertragungskapazitäten, kann laut einer Studie der EU-Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (Agency for the Cooperation of Energy Regulators, ACER) zu zusätzlichen Wohlfahrtsgewinnen in Höhe von 300 Milliarden Euro innerhalb der nächsten Dekade führen.

Effizientere Dekarbonisierung durch Stromhandel

Der europäische Stromhandel bringt nicht nur ökonomische Vorteile mit sich, sondern hilft auch bei der Dekarbonisierung des Energiesystems. Erneuerbare Energien, deren Stromerzeugung je nach Wind und Wetter variiert, können besser in den Strommarkt integriert werden. Wenn in Deutschland viel Sonne scheint oder der Wind kräftig weht und mehr Strom günstig produziert werden kann, als benötigt wird, wird dieser Strom beispielsweise nach Frankreich oder Österreich exportiert. Stehen andersherum in Deutschland die Windkraftanlagen wegen einer Flaute still, kann die Nachfrage mit Windstrom aus Dänemark oder Wasserkraft aus der Alpenregion und Skandinavien gedeckt werden. Da erneuerbare Energien niedrigere Grenzkosten als fossile Kraftwerke haben, wird in solch einem Fall nicht auf CO2-intensive Gas- und Kohlekraftwerke in Deutschland zurückgegriffen.

Der Anteil fossil erzeugten Stroms am Import ist deutlich geringer (23 Prozent) als beim in Deutschland produzierten Strom (38 Prozent). Strom aus erneuerbaren Energien stellt den größten Anteil am Import dar (siehe Abbildung 3). Die schnellere Abkehr von fossilen Energieträgern stärkt zudem die Unabhängigkeit Europas von Importen. Steinkohle und Gas werden zu großen Teilen von Staaten außerhalb des europäischen Wirtschaftsraums bezogen. Besonders kritisch ist bei beiden Energieträgern die Abhängigkeit von Russland, von der sich Europa nur langsam und schwer löst.

Windstrom aus Dänemark statt Gas und Kohle aus Russland

Hauptlieferant für Stromimporte nach Deutschland sind Länder mit hohen Anteilen an erneuerbaren Energien. Im Jahr 2023 war das windreiche Dänemark mit etwa 15,5 Terawattstunden (TWh) der Hauptstromlieferant, mit einigem Abstand gefolgt von Frankreich (9,3 TWh). Auch aus Staaten mit einem hohen Anteil an Wasserkraftanlagen wie Norwegen (6,5 TWh) oder der Schweiz (6,3 TWh) wurden große Mengen Strom importiert. Der Nettoimport, das heißt die Summe der Importe abzüglich der Summe der Exporte, lag bei rund 11,7 TWh.

Fazit

Der funktionierende europäische Strommarkt ist eine Errungenschaft, von der alle verbundenen Partner profitieren. Die Vernetzung der Strommärkte über nationale Grenzen hinweg ermöglicht die effiziente Nutzung von Ressourcen und trägt zur Versorgungssicherheit bei. Die enge Zusammenarbeit der europäischen Länder im Stromhandel fördert die wirtschaftliche Wohlfahrt, senkt die Kosten für die Verbraucher, unterstützt die Dekarbonisierung des Energiesystems und fördert die Unabhängigkeit von Importen fossiler Energieträger. Eine zukünftige verstärkte Strommarktintegration steigert die ökonomischen und ökologischen Vorteile. Angesichts der Herausforderungen durch geopolitische Unsicherheiten und den Klimawandel wird die Bedeutung eines gut vernetzten europäischen Strommarktes in Zukunft weiter zunehmen.

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