Windkraft in Bayern - Großes Po­ten­zial für die Ener­gie­wen­de

Auf einen Blick

Steigerung der Windenergieleistung: Würde der Abstand zwischen Windrädern und Wohngebieten bayernweit auf 800 Meter reduziert werden, könnte die Windenergieleistung auf 15 Gigawatt fast versechsfacht werden.

Verdopplung der Windenergiekapazität: Selbst unter den hohen Einschränkungen der 10H-Regelung könnte Bayern seine bestehende installierte Windenergiekapazität von 2,6 Gigawatt auf 5,2 Gigawatt verdoppeln, wenn ambitioniert Windräder zugebaut würden.

Energiesouveränität: Eine höhere Windkraftkapazität würde die Energiesouveränität stärken und die Kosten für Verbraucher senken.

Senkung des Gasverbrauchs: Bayern könnte damit seinen derzeitigen jährlichen Gasverbrauch um 28 Terrawattstunden (27 Prozent) senken. Dies würde auf Grundlage der für 2024 erwarteten Gaspreise jährliche Einsparungen von 1,3 Milliarden Euro bedeuten. Wenn die Gaspreise auf das Niveau von 2022 zurückkehren, käme es sogar zu jährlichen Einsparungen von 3,4 Milliarden Euro.

Wind­kraft in Bay­ern – Großes Po­ten­zial für die Energie­wen­de

Veröffentlichung Dezember 2023

ResilienzEnergie

| Analyse, 25.12.2023

Einleitung

Bayern hat es sich zum Ziel gesetzt, bis 2040 Klimaneutralität zu erreichen. Dieses Ziel ist im Bayerischen Klimaschutzgesetz verankert. Doch in den vergangenen 20 Jahren hat die bayerische Staatsregierung die Energiewende behindert. Der Ausbau von Windkraftanlagen und die Verbesserung der Netzinfrastruktur war politisch nicht gewollt. Mit der 2014 eingeführten 10H-Regel wurde festgelegt, dass der Mindestabstand zwischen einer Windkraftanlage und dem nächstgelegenen Wohngebiet das Zehnfache der Höhe der Anlage betragen muss. Moderne große Windkraftanlagen können eine Höhe von 200 Metern erreichen. Das bedeutet einen Mindestabstand von zwei Kilomentern – so viel wie in keinem anderen deutschen Bundesland. Infolgedessen sind die Genehmigungen für Onshore-Windprojekte fast vollständig zum Erliegen gekommen. Obwohl Bayern eine der größten Kapazitäten für Solar- und Wasserkraft aufweist, hat der Freistaat mit 2,6 Gigawatt (GW) im Vergleich zu seiner Größe eine der geringsten installierten Leistungen für Windenergie in Deutschland.

Bis 2030 möchte die bayerische Regierung die aus erneuerbaren Energien erzeugte Strommenge von 40 Terrawattstunden (TWh) auf 78 TWh verdoppeln. Dieses Ziel wurde im Oktober 2023 im Koalitionsvertrag zwischen CSU und Freie Wähler bekräftigt. Die Pläne setzen mit der Steigerung des Solarstroms von 13 TWh auf 40 TWh klare Zielmarken im Bereich Solar, treffen jedoch hinsichtlich der Windenergie keine Aussage darüber, wie viel Stromerzeugungskapazitäten die anvisierten 1000 neuen Windkraftanlagen zur Energieversorgung Bayerns beitragen sollen. Klar ist allerdings: allein mit Solarstrom ist das bayerische Erneuerbare-Energien-Ziel nicht zu erreichen. Die Lösung ist ein signifikanter, aber erreichbarer Ausbau der Windenergie.

Einige politische Fortschritte wurden bereits erzielt. Während die 10H-Regel trotz wiederholten Forderungen nach ihrer Abschaffung weiterhin gilt, wurden die Beschränkungen im November 2022 gelockert und in ausgewählten Gebieten der erforderliche Abstand zwischen Windrädern und Wohnhäusern auf 1000 Meter verringert. In Vorranggebieten wurde dieser Abstand geltend ab Juni 2023 weiter auf 800 Meter verringert und einige Bürgermeister fordern parteiübergreifend die flächendeckende Einführung dieser Regelung.

Bayern hat genug Windenergiepotenzial, um die Ziele für erneuerbare Energien zu erreichen

In der Vergangenheit wurde immer wieder behauptet, dass in Bayern nicht genug Wind weht, um den Bau von Windrädern zu rechtfertigen. Dies kann jedoch widerlegt werden. Die Daten des Joint Research Centre zeigen, dass Bayern selbst unter den extrem hohen Beschränkungen der 10H-Regel seine bestehende Windkraftkapazität von 2,6 GW auf 5,2 GW verdoppeln könnte. Die jährliche Windstromerzeugung könnte von 4 TWh auf 8 TWh erhöht werden, wenn der Ausbau der Windenergie forciert würde. Dies zeigt, dass selbst unter diesen strengen Rahmenbedingungen mehr Windstrom erzeugt werden könnte.

Würden die Abstandsregelungen flächendeckend im gesamten Freistaat auf 1000 Meter verringert, könnte die vorhandene Windkraftkapazität zudem auf 9 GW mehr als verdreifacht werden, was die jährliche Windstromerzeugung auf 14 TWh (+ 10 TWh) erhöhen würde.

Die potenzielle Kapazität könnte laut Berechnungen von Ember fast versechsfacht werden und 15 GW (22 TWh) erreichen, wenn die Forderung nach einer Verringerung des Abstands auf 800 Meter im gesamten Freistaat umgesetzt würde. Das wären 18 TWh mehr als die derzeitige Windenergieerzeugung in Bayern.

Deutschland erzeugte im Jahr 2022 126 TWh seines Stroms aus Windkraft, davon 100 TWh an Land. Mit 22 TWh Windstrom hätte Bayern einen Anteil von 17 Prozent an der derzeitigen gesamtdeutschen Windstromerzeugung und 22 Prozent an der Onshore-Windstromerzeugung.

Das bayerische Ziel, bis zum Jahr 2030 78 TWh Strom aus erneuerbaren Energien zu erzeugen, erfordert eine Steigerung um 38 TWh im Vergleich zu heute. Da 27 TWh davon aus der Solarenergie stammen sollen, bleibt eine Lücke von 11 TWh. Unsere Analyse zeigt, dass dies überwiegend (~90 Prozent) durch Windkraft erreicht werden könnte, wenn die 10H-Regelung im gesamten Freistaat gelockert würde. Wenn flächendeckend eine 800 m-Abstandsregel eingeführt würde, könnte dies sogar noch übertroffen werden.

Mehr Windenergie würde Einsparungen bei den Gasimporten und Energiesouveränität bringen

Bayern hat mit 105 TWh den zweithöchsten regionalen Gasverbrauch in Deutschland und produziert 14 TWh (18 Prozent) seines Stroms aus fossilem Gas.

Würden die Abstandsregelungen auf 800 Meter reduziert, könnte genügend Windkraftkapazität installiert werden, um diese 14 TWh an Stromerzeugung aus Gas zu ersetzen. Damit wäre Bayern deutlich weniger abhängig von Gasimporten. Stattdessen könnte dieser Strombedarf durch Heimatenergien gedeckt werden, was zu mehr Energiesicherheit und -souveränität führt.

Die zusätzlichen Kapazitäten zur Stromerzeugung aus Windenergie würden auch die finanziellen Risiken und die Kosten für die Verbraucher senken, da sie weniger von den hohen und schwankenden Preisen von Gasimporten abhängig wären. Bayern könnte seinen derzeitigen jährlichen Gasverbrauch um mindestens 28 TWh (27 Prozent) reduzieren. Dies würde auf Grundlage der für 2024 erwarteten Gaspreise jährliche Einsparungen von 1,3 Milliarden Euro bedeuten. Wenn die Gaspreise auf das Niveau von 2022 zurückkehren, käme es zu jährlichen Einsparungen an Gaskosten von 3,4 Milliarden Euro.

Die europäischen Nachbarn machen vor, wie man ein Stromsystem mit erneuerbaren Energien betreibt

Seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine hat sich die Umstellung von fossilen Brennstoffen auf erneuerbare Energien in der gesamten EU beschleunigt. Im Jahr 2022 wurde eine Rekordleistung von 57 GW an Wind- und Solarenergie installiert. Sonne und Wind erzeugten damit zum ersten Mal mehr Strom als Gas.

Es hat sich auch gezeigt, dass Stromsysteme ausschließlich mit erneuerbaren Energien betrieben werden können. Das gesamte griechische Stromnetz wurde im Oktober 2022 fünf Stunden lang zu 100 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben. In den Niederlanden wurde im Juni 2023 an 140 Stunden mehr Strom aus Wind- und Sonnenenergie erzeugt als im gesamten Land verbraucht wurde. Die Niederlande erreichten im Juli außerdem erstmals einen Anteil von 50 Prozent an der Stromerzeugung aus Wind- und Sonnenenergie. Auch Deutschland verzeichnete einen Rekordanteil von 49 Prozent.

Bayern droht abgehängt zu werden

Im Februar 2023 hat Polen seine seit 2016 geltende 10 H-Regelung aufgehoben. Die Abstandsbeschränkungen für Onshore-Windkraftanlagen wurden auf 700 Meter reduziert. Darüber hinaus sieht das neue Gesetz vor, dass der Projektträger mindestens 10 Prozent der installierten Leistung der Windkraftanlage den Einwohnern der Gemeinde anbieten muss, um deren Stromrechnung deutlich zu senken. Die bayerischen Bürgerinnen und Bürger könnten von ähnlichen Vorteilen profitieren, wenn die Regierung die Abstandsregeln für Windenergie an Land reduziert.

Methodik

Daten zur potenziellen Windkapazität in Bayern (GW): ENSPRESO - WIND - ONSHORE und OFF-SHORE. Europäische Kommission, Joint Research Centre (JRC) [Datensatz] PID: http://data.europa.eu/89h/6d0774ec-4fe5-4ca3-8564-626f4927744e. [NUTS2-Regionen DE21- DE27]

Berechnung der potenziellen Windenergiekapazität (GW):
Flächenanteil x Eignungsfläche x Leistungsdichte der Windparks

Potenzielle Windkapazität mit 800 m-Abstandsregel: Die in den ENSPRESO-Daten enthaltenen Eignungsflächen für mehrere unterschiedliche Abstandsregeln wurden interpoliert, um die Eignungsfläche (km2) in Bayern zu schätzen, wenn eine 800 m-Abstandsregel landesweit eingeführt würde. Diese berechnete Eignungsfläche wurde dann in die obige Formel eingesetzt, um die implizite potenzielle Windkapazität (GW) für eine 800 m-Abstandsregel zu bestimmen.

Leistungsdichte von Onshore-Windparks: 3 MW/km2
Kapazitätsfaktoren von Onshore-Windturbinen: 10 Prozent bis 22,5 Prozent
Wirkungsgrad von Gaskraftwerken: 50 Prozent (höherer Heizwert/Brennwert)
Deutsche Gaspreise: PEGAS Trading Hub Europe (THE) Abrechnungspreise am 17.11.2023.

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