Erdgas - Importabhängigkeit und der Wärmesektor
Veröffentlichung Mai 2022
Mit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine Ende Februar 2022 ist die massive Abhängigkeit Deutschlands von Energieimporten klarer als je zuvor. Deutschland ist einer der größten Importeure fossiler Energieträger aus Russland. Das ist vor allem für die hiesige Wärmeversorgung eine Herausforderung.
ResilienzEnergieGebäude & Wärme
| Factsheet, 20.05.2022
Deutschland importiert etwa 60 Prozent seines Energiebedarfs. Das Land verfügt kaum über heimische Ressourcen, abgesehen von Braunkohle und erneuerbaren Energien, und ist damit einer der größten Importeure von Gas (95 %), Steinkohle (100 %) und Öl (98 %) weltweit. Einer der wichtigsten Rohstofflieferanten Deutschlands ist Russland. Deutschland ist abhängig von Importen für die Versorgung mit allen fossilen Energieträgern abgesehen von Braunkohle – und das hauptsächlich von wenigen Exportländern.
Während sich Öl- oder Steinkohle-Importe aufgrund ihrer Transportwege via Schiff oder Bahn vergleichsweise leicht diversifizieren lassen, stellt sich dies bei Gas um einiges komplexer dar. Öl und Steinkohle können kurzfristig auch aus anderen Ländern eingekauft werden. Deutschland bezieht Gas momentan nur über Pipelines, also leitungsgebunden. Daher sind die Importe stark an bestehende Infrastruktur gebunden. Im Februar 2022, zum Zeitpunkt der russischen Invasion in der Ukraine, stammten mehr als die Hälfte der deutschen Gasimporte aus Russland. Erneuerbare Energie kann dagegen zu 100 Prozent im Inland erzeugt werden. Die deutsche Energiesouveränität hängt damit maßgeblich vom Ausbau der Erneuerbaren im Inland ab. Die Energiewende ist somit auch eine Frage der Sicherheit.
Gas ist mit einem derzeitigen Anteil von rund 50 Prozent der wichtigste Energieträger am Wärmemarkt. Insgesamt wird gut die Hälfte der in Deutschland verbrauchten Endenergie zur Wärmeerzeugung eingesetzt: zum Heizen von Gebäuden, zur Warmwasserbereitung und für Prozesswärme in der Industrie.
Auch bei Nichtwohngebäuden, das heißt in Gewerbe, Handel und Industrie, ist Gas mit einem Anteil von rund 50 Prozent der wichtigste Energieträger. Die wichtigste Anwendung von Gas in der Industrie ist die Erzeugung von Prozesswärme, die beispielsweise in der Grundstoffchemie oder Metallverarbeitung benötigt wird. In Deutschland wird vorrangig mit Gas (49,3 %) und Öl (30,4 %) geheizt. Der Anteil von Fernwärme (6,6 %) und Strom (5,7 %) ist vergleichsweise gering. Allerdings zeigt sich seit 2020 ein Rückgang des Marktanteils von Öl- und Gaskesseln. Insbesondere im Neubau steigt der Absatz von Wärmepumpen und Biomasseanlagen. Neben der direkten Verwendung von Gas zum Heizen wird der Energieträger auch zur Produktion von Strom und Fernwärme benutzt. Der Anteil von Gas ist sowohl bei der reinen Fernwärmeerzeugung (70 %) als auch bei der Kraft-Wärme-Kopplung (45 %) sehr hoch. Daher gilt es auch, die Dekarbonisierung der Fernwärme voranzutreiben.
Gas macht etwa 15 Prozent der deutschen Stromversorgung aus – im Gegensatz zum Beispiel zur Windkraft, die 2021 etwa 20 Prozent ausmachte. Ursprünglich war Gas in der Stromversorgung zur Speicherung von Energie und als Reservekapazität zum Ausgleich der Fluktuationen erneuerbarer Energien vorgesehen. Der Krieg gegen die Ukraine führt dazu, dass Gas als Brückentechnologie unsicher geworden ist und von zahlreichen Entscheidungsträgern in Frage gestellt wird. Kurzfristig kann die Stromerzeugung aus Gas mit der Stromerzeugung aus Kohlekraftwerken ersetzt werden. Langfristig kann die Flexibilisierung des Stromnetzes und der Ausbau von grünem Wasserstoff als saisonalem Speicher die Schwankungen der Erneuerbaren ausgleichen.
Energieeffizienz und Wärmewende nehmen eine Schlüsselrolle zur Reduzierung der strukturellen Abhängigkeiten ein. Nachhaltige Gaseinsparungen können langfristig mit koordinierten Maßnahmen in Bereich Energieeffizienz, dem Ausbau erneuerbarer Energien sowie im Hochlauf von Wärmepumpen- und grüner Wasserstofftechnologie erzielt werden. Erneuerbare Energien sind heimische Energien. Der Ausbau von Windkraft- und Solaranlagen muss daher mit höchster Priorität weiter vorangetrieben werden. Im Gebäude- und Wärmesektor geht es vor allem um die Sanierung ineffizienter Ein- und Zweifamilienhäuser, um Einspareffekte zu maximieren. Insgesamt kommt der Transformation hin zu einem klimaneutralen Deutschland daher auch unmittelbar eine sicherheitspolitische Bedeutung zu.
Das vollständige Factsheet mit Quellenverzeichnis und allen Abbildungen können Sie hier runterladen.