Umfrage zu energetischer Sanierung: ein unsichtbarer Schatz
PolitikGebäude & Wärme
| Pressemitteilung, 20.06.2022
Keine Sanierung geplant: Hausbesitzer unterschätzen Einsparpotenziale
Hausbesitzer unterschätzen die Vorteile energetischer Sanierungsmaßnahmen. Das geht aus einer Umfrage unter Besitzern von Ein- und Zweifamilienhäusern in Deutschland hervor. Die Befragung wurde von der Initiative Klimaneutrales Deutschland in Auftrag gegeben und am Dienstag in Berlin vorgestellt.
Rund 85 Prozent aller Wohngebäude in Deutschland sind Ein- und Zweifamilienhäuser, keine kleine Zahl, wenn man bedenkt, dass rund 40 Prozent des gesamten Treibhausgas-Ausstoßes in Deutschland auf den Gebäudesektor zurückgehen. Doch viele Hausbesitzer unterschätzen die zahlreichen Einsparpotenziale durch Sanierung – an Energie, Kosten und Treibhausgasen. Das zeigen die Ergebnisse einer Umfrage unter Tausend Besitzern von Ein- und Zweifamilienhäusern in Deutschland, die die Initiative Klimaneutrales Deutschland in Auftrag gegeben hat. Darin schätzt mehr als die Hälfte der Befragten die möglichen Energieeinsparungen nach einer Sanierung auf gerade mal 30 Prozent.
„Damit liegen sie weit weg von den tatsächlichen Einsparungsmöglichkeiten von bis zu 80 Prozent. Das zeigt uns, dass die Bundesregierung hier mehr Aufklärungsarbeit leisten muss, damit ihre Ambitionen für einen klimafreundlichen Gebäudesektor Realität wird und die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern reduziert werden kann“, so Carolin Friedemann, Geschäftsführerin und Gründerin der Initiative Klimaneutrales Deutschland.
Differenz zwischen geschätzten und prognostizierten Energiekosten
Auf die Bitte die monatlichen Mehrkosten für Heizung und Warmwasser für dieses Jahr zu schätzen, zeigt sich eine deutliche Differenz zwischen den geschätzten und den erwartbaren Preissteigerungen. Fast zwei Drittel rechnet laut Umfrage mit monatlichen Mehrkosten für Heizung und Warmwasser von höchstens 100 Euro. „Diese Zahlen zeigen, vielen Hauseigentümern ist nicht bewusst, was die Preissteigerungen bei Heizöl und Erdgas für sie bedeuten“, erläutert Friedemann, „für einen Musterhaushalt mit Gasheizung wird die monatliche Mehrbelastung eher bei 150 Euro liegen. Die niedrigere Einschätzung ist eine mögliche Erklärung für das geringe Interesse an Sanierung."
Energieeffizienzklassen und Gebäudebestand
Doch zwei Drittel der befragten Eigentümer kennen die Energieeffizienzklasse ihres Hauses nicht. Drei Viertel der Ein- und Zweifamilienhäuser wurden vor 1979 erbaut. Damit ist ein Großteil des deutschen Gebäudebestands über 40 Jahre alt und wurde ohne verpflichtende Berücksichtigung von Energieeffizienzstandards gebaut. Für ca. drei Millionen Ein- und Zweifamilienhäuser stehen laut der geplanten Überarbeitung/Novelle der EU-Gebäuderichtlinie Sanierungsmaßnahmen an. Die EU-Gebäuderichtlinie wird im Rahmen des Green Deals vorzeitig novelliert und sieht für Häuser der schlechtesten drei Effizienzklassen Sanierungsmaßnahmen vor.
Sanieren macht glücklich
Hauseigentümer, die in den vergangenen Jahren neue Fenster, eine Dämmung oder eine neue Heizung in ihr Haus eingebaut haben, sind laut Umfrage sehr zufrieden. 88 Prozent gaben an, dass die Ergebnisse ihren Erwartungen entsprechen, und etwa ebenso viele Befragte würden ihr Haus nochmals sanieren. Als ausschlaggebenden Grund für eine Sanierung gaben 80 Prozent der Hauseigentümer an, dass dadurch ihr Wohlbefinden gesteigert worden sei, gefolgt von „gestiegenen Energiepreisen“ und der „Wertsteigerung der Immobilie“ (jeweils 65 Prozent). Staatliche Förderungen spielten kaum eine Rolle für die Investitionsentscheidung. „Interessanterweise ist das bei denjenigen, die keine Sanierung planen anders. Sie könnten sich sowohl durch staatliche Förderung überzeugen lassen als auch durch eine leichte, unkomplizierte Umsetzung.“ Beide Argumente wurden von Nichtsanierern in der Umfrage genannt. „Uns zeigen die Ergebnisse: hier muss das Bundeswirtschaftsministerium in seiner Energiesparkampagne nachlegen und auch das Fördersystem vereinfachen“, so Friedemann.
Das vollständige Factsheet mit Quellenverzeichnis und allen Abbildungen können Sie hier runterladen.
Kommentare
Dr. Holger Krawinkel, Energieexperte, Stadt- und Regionalplaner, bewertet die Umfrageergebnisse:
„Während die Eigentümer von den sparsamsten Gebäuden den jeweiligen Zustand recht gut einschätzen können, gilt das nicht für diejenigen, die in den schlechtesten Gebäuden wohnen. Gleichzeitig werden die aktuellen Energiekostensteigerungen von den meisten Bewohnern unterschätzt. Das dürfte vor allem für Eigentümer der wenigsten effizienten Gebäuden gelten.
Abhilfe würde das Vorliegen eines Sanierungsfahrplans schaffen. Dieser sollte für Gebäude, vor 1977 gebaut wurden, verpflichtend, noch stärker gefördert und in einem Wohnungs- und Gebäuderegister erfasst werden.“
Auch Jan Peter Hinrichs, Geschäftsführer des Bundesverbandes energieeffiziente Gebäudehülle e.V., äußert sich zu den Erkenntnissen:
„Der Gebäudebestand ist ein echter Verbrauchsriese und für circa 40 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich. Und dabei sind achtzig Prozent des Bestandes nicht klimafit. Ein Drittel der Häuser befindet sich sogar in den schlechtesten Effizienzklassen G und H. Um Klimaneutralität zu erreichen, müssen wir schnell an dieses Einsparpotenzial ran – mit energetischer Sanierung nach dem Prinzip „worst first“.“
Methodik
Im Auftrag der Initiative Klimaneutrales Deutschland wurden 1007 Personen ab 18 Jahren im Zeitraum 18. Mai bis 01. Juni 2022 durch das Marktforschungsinstitut von Kantar befragt. Zielgruppe der Befragung waren Eigentümerinnen und Eigentümer selbstgenutzter Ein- oder Zweifamilienhäuser. Die Umfrage ist bevölkerungsrepräsentativ in Bezug auf Alter, Geschlecht und Bundeslandzugehörigkeit.
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