Neue Erdgasförderung in der Nordsee: Lock-in-Effekt statt Lösung
EnergiePolitik
| Kommentar, 20.05.2022
Der niedersächsische Landtag hat neuen Erdgasbohrungen in der Nordsee zugestimmt. Noch vor gut einem halben Jahr hatte der Landtag der Förderung vor der touristisch-geprägten Insel Borkum eine Absage erteilt. Dieser Beschluss ist problematisch und kurzsichtig, denn um die Ziele des Pariser Klimaabkommens einzuhalten und die Erderwärmung im Jahr 2050 auf unter 2°C zu begrenzen, muss ein Drittel der fossilen Gasreserven im Boden verbleiben.
Clara Mewes, wissenschaftliche Referentin der Initiative Klimaneutrales Deutschland, kommentiert die Kehrtwende des niedersächsischen Landtags:
„Die geplante Erdgasförderung vor der Insel Borkum hilft uns in der nächsten Heizperiode nicht – und die startet bereits in vier Monaten. Deutschlands Versorgung mit Erdgas ist insbesondere kurzfristig bedroht. Laut des niederländischen Betreibers wird die Erdgasproduktion in der Nordsee erst ab 2024 anlaufen. Mittel- und langfristig werden Technologien wie Wärmepumpen, Photovoltaik und grüner Wasserstoff die deutsche Energieversorgung sicherstellen.
Eine Investition in neue fossile Projekte birgt die Gefahr des Wertverfalls von Vermögenswerten und Lock-In-Effekten, das heißt, dem Verbleiben in einer suboptimalen Situation auf Grund zu hoher Wechselkosten. Denn, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens einzuhalten und die Erderwärmung im Jahr 2050 auf unter 2°C zu begrenzen, muss ein Drittel der fossilen Gasreserven im Boden verbleiben. Dazu hat sich Deutschland gesetzlich verpflichtet. Dies bedeutet, dass global gesehen die meisten Regionen jetzt oder im nächsten Jahrzehnt ihren Produktionshöhepunkt erreichen müssen, wodurch auch die geplante Erdgasförderung in der Nordsee unrentabel wird.
Die Entscheidung des niedersächsischen Landtags mag auf den ersten Blick als geeignetes Pflaster in einer schmerzhaften Situation erscheinen, auf den zweiten Blick zeigt sich schnell: das Erdgas käme zu spät und erschwert den Weg aus einer fossilen Energieversorgung.“