Die Politik muss Hausbesitzer für Klimaschutz gewinnen
PolitikGebäude & Wärme
| Gastbeitrag, 22.10.2024
Die Hindernisse, auf denen die stagnierende Sanierungsquote beruht, sind erklär- und lösbar – wenn die Rahmenbedingungen stimmen, meinen Carolin Friedemann von der Initiative Klimaneutrales Deutschland (IKND) und Thomas Drinkuth von der Repräsentanz Transparente Gebäudehülle (RTG). Was Hausbesitzer bewegt, zeigt eine aktuelle Umfrage. Die Politik muss Planbarkeit bieten, die Förderung attraktiver machen und Unterstützung bei der Umsetzung organisieren.
Seit der problematischen Debatte um das Heizungsgesetz verstärkt sich das Gefühl, dass Klimaschutz wie ein ungebetener Gast vor der Tür steht. Weiter weg, beispielsweise im Stromnetz oder in Unternehmen, ist er ja noch halbwegs okay. Aber im eigenen Zuhause? Was viele Menschen, darunter auch Hausbesitzer, oft noch nicht erkennen: Weder der Klimaschutz noch die notwendige Energiepolitik können an der Haustür Halt machen. Der deutsche Gebäudebestand braucht ein Modernisierungsprogramm. Er muss fit für die Zukunft werden: energieeffizient, erneuerbar und klimaresilient, am besten die schlechtesten Gebäude zuerst. Nur so werden auch die Kosten des Wohnens in Zukunft beherrschbar bleiben. Das haben die Preisschocks der jüngsten Energiekrise eindrucksvoll gezeigt.
Weil Ein- und Zweifamilienhäuser den Löwenanteil der energetisch schlechteren Gebäude ausmachen, haben die IKND und die RTG eine Umfrage unter deren Eigentümern durchführen lassen. Das Ziel: mehr über Motivationen, Hürden und gewünschte Rahmenbedingungen zu erfahren. Die Ergebnisse können mit denen einer Vorläuferumfrage aus dem Jahr 2022, also vor der Energiekrise in Folge des Ukraine-Krieges, verglichen werden.
Unwissenheit baut Hürden auf
Herausfordernd ist der Einstieg in eine Modernisierungsoffensive schon deswegen, weil viele Eigentümer wenig über ihr Haus und die Einsparpotenziale von Gebäudesanierungen wissen. 68 Prozent der Ein- und Zweifamilienhäuser gehören zu den schlechtesten Energieeffizienzklassen E bis H – doch nicht mal jeder dritte Eigentümer ordnet sein Haus in diese Klassen ein. Aber immerhin können deutlich mehr Befragte als noch vor zwei Jahren überhaupt Auskunft zu ihrer Energieeffizienzklasse geben. Auch auf die Frage, wieviel Energie sich mit umfassenden Sanierungsmaßnahmen einsparen lässt, nähern sich jetzt deutlich mehr Hausbesitzer der Realität an. Gleichwohl kann sich nach wie vor kaum jemand vorstellen, dass je nach Ausgangszustand des Hauses und der Maßnahmen bis zu 80 Prozent Energie eingespart werden können.
Die Energiekrise 2022/23 samt Preisschocks liegt als wesentliche Ursache für den verbesserten Kenntnisstand auf der Hand. Die mediale Berichterstattung war intensiv, die persönliche Betroffenheit erheblich. Dazu passt auch die Angst vor steigenden Energiekosten: Drei Viertel derjenigen, die aktuell oder in der jüngeren Vergangenheit saniert haben, verweisen darauf als einen wesentlichen Grund.
Dennoch: Viele Eigenheimer sehen keinen Handlungsbedarf. Konkrete Pläne für Sanierungen innerhalb der nächsten zwölf Monate haben nur noch zwölf Prozent derjenigen, die bislang nicht saniert haben. Vor zwei Jahren waren es noch 18 Prozent. Hauptgründe sind der oftmals falsch bewertete, scheinbar gute Zustand des Zuhauses und die Ablehnung einer Kreditaufnahme, gefolgt von Verunsicherung und finanzieller und organisatorischer Überforderung. Diese Entwicklung legt den Schluss nahe, dass Eigentümerinnen und Eigentümer auf Kostensteigerungen sensibel reagieren. Der CO2-Preis könnte zu einem wichtigen politischen Instrument werden, wenn er zwar spürbar, aber nicht dauerhaft überfordernd hoch ist.
Ausschlaggebend: politische Rahmenbedingungen
Viele Eigentümer zögern trotz der Vorteile einer energetischen Sanierung, weil die politischen Rahmenbedingungen nicht ausreichend motivieren. Die staatlichen Förderprogramme werden von 55 Prozent der Hausbesitzer als unattraktiv oder kompliziert wahrgenommen. Nur 35 Prozent derjenigen, die saniert haben, nutzten überhaupt Fördermittel. Von der steuerlichen Absetzbarkeit haben deutlich mehr Eigentümer Gebrauch gemacht.
Auch die fehlende Planungssicherheit hemmt Sanierungsentscheidungen. Die Debatte rund um das Gebäudeenergiegesetz und klimapolitisches Hin und Her verunsichern Hausbesitzer. Mehr als die Hälfte der Befragten befürchtet, dass sie nach einer Sanierung aufgrund geänderter Vorgaben erneut nachrüsten müssten. Die Politik ist gefordert, bessere und verlässliche Voraussetzungen zu schaffen, um gemeinsam die energie- und klimapolitischen Ziele zu erreichen. Wo kann die Politik ansetzen? Hausbesitzer assoziieren das Eigenheim am stärksten mit „Wohnsicherheit“ und sind vermutlich für eine Politik, die Sicherheit in unsicheren Zeiten schafft, zu gewinnen.
Wie kann die Modernisierungsoffensive starten?
Einfacher, bezahlbarer, sicherer. Viele Hausbesitzer sehen sich mit komplizierten Prozessen und unattraktiven Fördermöglichkeiten konfrontiert. Sieben von zehn Befragten geben an, dass sie bereit wären zu sanieren, wenn der Prozess einfacher und besser betreut und die Förderung attraktiver wäre.
Ein Schlüssel kann die verstärkte Beratungsarbeit mit Handwerkern sein, da sehr viele Hausbesitzerinnen und -besitzer dem Handwerker um die Ecke vertrauen. Darüber hinaus brauchen sie jedoch Zugang zu Beratungsstellen, die sie durch den gesamten Sanierungsprozess begleiten – von der Information über die Planung bis zur Beantragung von Fördermitteln. Kommunen und lokale Akteure sollten dabei unterstützt werden, solche integrierten Beratungsstellen (One-Stop-Shops) zu schaffen.
Darüber hinaus müssen staatliche Förderprogramme attraktiver und langfristig verlässlich sein. Hausbesitzerinnen und -besitzer brauchen die Sicherheit, dass ihre Investition unterstützt wird und die Rahmenbedingungen sich nicht kurzfristig ändern. Stärkere steuerliche Anreize für höhere Einkommen und spezifische Förderprogramme mittlere und niedrige können die Sanierungsbereitschaft erhöhen.
Politische Verlässlichkeit kann auch das Ansehen der Politik in populistischen Zeiten stärken. Jetzt ist die Zeit für mutige Entscheidungen. Hausbesitzer werden nur dann in die Sanierung investieren, wenn sie darauf vertrauen können, dass die heute beschlossenen Maßnahmen auch in den kommenden Jahren Bestand haben. Wenn die richtigen Weichen gestellt werden, wird der Klimaschutz zu einem willkommenen Gast – zum Vorteil für Hausbesitzer, die Wirtschaft und die Gesellschaft.
Carolin Friedemann ist Gründerin und Geschäftsführerin der Initiative Klimaneutrales Deutschland (IKND). Die IKND ist eine gemeinnützige Organisation, die nach eigenen Angaben die faktenbasierte, parteiübergreifende Klimadebatte mit Mitteln der Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit unterstützt.
Thomas Drinkuth leitet die Repräsentanz Transparente Gebäudehülle (RTG). Die RTG als Hauptstadtbüro der Glasindustrie, des Fenster- und Fassadenbaus, der Sonnenschutz- und Automationsindustrie sieht sich als ein Impulsgeber und Dialogpartner für Politikakteure und Stakeholder, die die bau- und energiepolitischen Rahmenbedingungen gestalten.
Dieser Artikel wurde ursprünglich im Tagesspiegel Background Energie & Klima veröffentlicht. Er basiert auf einer Studie zu den Motivations- und Hinderungsgründen einer energetischen Sanierung von selbstnutzenden Hausbesitzern.
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