Strom­preis­zonen - eine mög­liche Re­form?

Auf einen Blick

EnergieWirtschaft & ArbeitEU

| Factsheet, 08.09.2023

Was: Eine Gebotszone, auch Strompreiszone genannt, ist ein Strommarktgebiet, in dem ein einheitlicher Strompreis gilt. Deutschland bildet derzeit gemeinsam mit Luxemburg eine große Gebotszone.

Warum: Im aktuellen deutschen Stromsystem entstehen immer häufiger Engpässe, die nur mit hohen Mehrkosten, die durch das Engpass- und Einspeisemanagement entstehen, gelöst werden können. Dadurch steigen die Strompreise in ganz Deutschland.

Wie: Es stehen momentan vier Optionen für eine Aufteilung der deutschen Gebotszone im Raum: Von einer Teilung in zwei Zonen, eine im Norden und eine im Süden Deutschlands, bis hin zu einer Teilung in vier Zonen.

Wer: Neben der europäischen Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden, kurz ACER, beschäftigen sich noch die Übertragungsnetzbetreiber, die Bundesnetzagentur, das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und eine Vielzahl an Akteuren im Rahmen der Plattform Klimaneutrales Stromsystem mit der Gebotszonenreform.

Wann: Wann und ob die Aufteilung der deutschen Gebotszone umgesetzt wird, ist noch ungewiss.

Strom­preis­zonen - eine mög­liche Re­form?

Veröffentlichung September 2023

Was - ist eigentlich eine Gebotszone?

Eine Gebotszone, auch Strompreiszone genannt, ist ein Strommarktgebiet, in dem ein einheitlicher Strompreis gilt. Dieser entsteht durch das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage im gesamten Marktgebiet. Koordiniert wird der Handel mit Strom an der Strombörse, im deutschen Fall der European Energy Exchange AG (EEX) in Leipzig. Die Grenzen der einzelnen europäischen Preis- oder Gebotszonen sind historisch bedingt meist mit Staatsgrenzen identisch. Deutschland ist eine Ausnahme und bildet derzeit gemeinsam mit Luxemburg eine große Gebotszone. Bis Oktober 2018 gehörte auch Österreich dieser Gebotszone an. Innerhalb der Gebotszone setzt sich im Strommix unabhängig vom Standort immer die kostengünstigsten Technologien zur Stromerzeugung durch.

Warum - könnte es überhaupt mehrere Gebotszonen geben?

Im Zuge der Energiewende wird Strom zunehmend über weite Strecken transportiert – zum Beispiel von den Windkraftanalagen im Norden zu den Industriezentren in Süddeutschland. Das Stromnetz stößt aufgrund des schleppenden Netzausbaus immer häufiger an seine Grenzen. Es kommt zu Transportschwierigkeiten – den sogenannten Netzengpässen. Auch der verschleppte Ausbau von erneuerbaren Energien, vor allem in Süddeutschland, trägt zu Engpässen bei. Es fehlen Signale für Verbraucher, um auf Knappheiten reagieren zu können, zum Beispiel in dem sie aufgrund höherer Preise weniger Strom verbrauchen. Zudem fehlen Anreize für netzdienliche Investitionen. Es gibt verschiedene Lösungsansätze, um diese Probleme zu adressieren. Die Aufteilung in mehrere Gebotszonen ist einer davon.

Bisher werden die Engpässe in der Stromversorgung mit sogenannten Redispatch-Maßnahmen ausgeglichen. Droht an einer bestimmten Stelle im Netz ein Engpass, muss die Einspeisung von Windkraftanlagen im Norden gedrosselt werden, während Kraftwerke im Süden, oft Gaskraftwerke, ihre Einspeiseleistung erhöhen müssen. Dies resultiert in hohen Kosten, die mittels Netzentgelte an die Verbraucher weitergegeben werden und mittlerweile einen wachsenden Teil der Endkundenpreise ausmachen. Das Hochfahren fossiler Kraftwerke hat außerdem negative Auswirkungen auf die deutschen Klimaziele.

Die deutsche Gebotszone ist auf Grund ihrer Lage inmitten von Europa kritisch für den grenzüberschreitenden europäischen Stromhandel. Auf EU-Ebene wird deshalb aktuell geprüft, ob Deutschland in mehrere Strompreiszonen aufgeteilt werden sollte. Die Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden, kurz ACER, hat insgesamt für fünf europäische Mitgliedsstaaten neue Gebotszonen vorgeschlagen. Die Debatte um eine Reform der Zonen ist auch nicht neu. Die EU hat bereits vor mehreren Jahren einen Anlauf unternommen, Deutschland in mehrere Gebotszonen aufzuteilen.

Wie - würde die Umsetzung der Gebotszonenreform aussehen?

Im August 2022 hat die europäische Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden, kurz ACER, vier Vorschläge für die Aufteilung Deutschlands in mehrere Gebotszonen gemacht. Von einer Teilung in zwei Zonen, eine im Norden und eine im Süden Deutschlands, bis hin zu einer Teilung in fünf Zonen. Diese Aufteilung könnte punktuell dafür sorgen, dass die Strompreise in Süddeutschland steigen, während sie in Norddeutschland sinken. In Stunden, in denen viel Sonne scheint, könnte der Strompreis in Süddeutschland auch niedriger sein als im Norden, da im Süden Photovoltaik stärker ausgebaucht ist.

Höhere Strompreise können einen Anreiz bieten, Engpässe durch den Ausbau von Windund Solarenergie sowie den Ausbau von Stromnetzen zu verringern. Auch das Speichern von Strom oder die Verschiebung von Stromverbrauch, die sogenannte Flexibilität der Nachfrage, würde sich eher lohnen. Potenziale für derartige zeitliche Anpassungen sind insbesondere in der energieintensiven Industrie in hohem Maße vorhanden. Kann man dieses Potenzial der industriellen Nachfrageflexibilität zukünftig lokal nutzbar machen, kann man deutlich besser auf die Volatilität von Wind und Sonne reagieren und das Stromsystem damit auch leichter stabilisieren. Niedrige Strompreise könnten ein Anreiz sein, energieintensive Industrie oder auch Elektrolyseure zur Wasserstoffherstellung eher in Regionen mit viel Stromerzeugung anzusiedeln.

Wer - beschäftigt sich mit der Gebotszonenreform und triftt die Entscheidungen?

Unter dem Mandat der EU-Elektrizitätsverordnung (in eng. Electricty Regulation) hat die Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden, kurz ACER, 2019 die Bidding Zone Review (BZR), also den Prozess zur Überarbeitung der Gebotszonen, begonnen. Die deutschen Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) TenneT, Amprion, 50Hertz und TransnetBW untersuchen derzeit im Auftrag der EU die möglichen Auswirkungen der von ACER vorgeschlagenen Gebotszonenaufteilungen. Insgesamt werden 22 Parameter berechnet. Unter anderem geht es dabei um die Auswirkungen solcher Veränderungen auf
Unternehmen. Die ÜNB betreiben die überregionalen Stromnetze und transportieren den Strom über große Distanzen; sie betreiben die sogenannten Stromautobahnen. Sie sind für den sicheren Betrieb, die Instandhaltung und den Ausbau der Stromnetze verantwortlich. Die finalen Entscheidungsträger der Bidding Zone Review sind die EU-Kommission und die Mitgliedsstaaten.

Auf nationaler Ebene, ist normalerweise die Bundesnetzagentur (BNetzA) für die deutschen Energieversorgungsnetze und den Stromnetzausbau zuständig. Im Falle der Gebotszonenreform möchte allerdings das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) die Zuständigkeit für grundsätzliche Entscheidungen über den Zuschnitt der Zonen behalten. So sieht es der aktuelle Referentenentwurf des Gesetzes zur Anpassung des Energiewirtschaftsrechts an unionsrechtliche Vorgaben vor.

Zudem beschäftigt sich auch eine Vielzahl an Akteuren aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft mit der Gebotszonenreform. Seit Februar 2023 beraten sie gemeinsam im Rahmen der vom BMWK initiierten Plattform Klimaneutrales Stromsystems (PKNS), zu der Option zur Einführung lokaler Preissignale im deutschen Strommarkt.

Wann - würde die Reform umgesetzt werden?

Wann und ob die Aufteilung der deutschen Gebotszone umgesetzt wird, ist noch ungewiss. Zunächst einmal werden die Ergebnisse der ÜNB erwartet, die im August 2023 vorliegen werden. Deutschland und die betroffenen EU-Mitgliedstaaten müssen dann entscheiden, ob sie die derzeitige Gebotszonenkonfiguration beibehalten oder ändern wollen. Stand heute, wird Anfang September 2023 die Plattform Klimaneutrales Stromsystems ihren Zwischenbericht beraten, der neben anderen Themen des Strommarktdesigns auch lokale Preissignale thematisieren wird.

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